Das Geschäftsmodell Erotik-Friseur lockt immer wieder Investoren an. Das Konzept ist auch denkbar simpel und scheint auf jahrtausendealten Mechanismen zu fußen. Wo möchte ein Mann sich lieber die Haare schneiden lassen? Doch Vorsicht! Der Griff nach der vermeintlich schnellen Rendite bei dem Investment-Vehikel „Erotik-Friseur“ hat schon so manchen Investor um sein Kapital gebracht.
Über das Geschäftsmodell „Erotik-Friseur“
Das Geschäftsmodell weist ein angenehm simples Strickmuster auf. Ein Friseur-Salon für Männer mit einem klaren USP. Die dort tätigen Friseurinnen tragen viel Haut und wenig Kleidung, bevorzugt recht reizvolle Dessous – manchmal auch nur Haut. Man muss nicht lange grübeln um zu verstehen, dass „Mann“ sich dort recht gerne die Haare schneiden lassen möchte.
Publicity für den Erotik-Friseur
Was man als Unternehmensgründer oftmals weniger bedenkt, das ist die Reaktion der Bevölkerung auf das neue Angebot „Erotik-Friseur“. Durch das öffentliche Ladenlokal ist das Thema Nacktheit omnipräsent. Dies ruft natürlich so manchen Menschen auf den Plan, der sich daran stößt – und vor allem den Erotik-Friseur rasch in die Schmuddel-Ecke schieben möchte. Dies schafft einerseits oftmals schnelle Publicity. Andererseits flammen so auch schnell Händel mit der örtlichen Verwaltung auf, wenn diese sich der Meinung der Kritikaster anschließt und den Erotik-Friseur eben nicht mehr den Coiffeuren zurechnet, sondern dem „Gewerbe“.
Regionales Setting
Dabei sollte man noch bedenken, dass die Bevölkerung in Deutschland im Durchschnitt eine höhere Akzeptanz aufweist als etwa der Durchschnittsamerikaner oder -franzose. Nachfolgend schildern wir am Beispiel verschiedener Erotik-Friseur-Salons in Deutschland, Frankreich und in den USA, auf welche Resonanz man bei der Gründung stoßen kann.
Zielgruppe, Pricing, Personal
So simpel das Strickmuster des Geschäftsmodell Erotik-Friseur auf den ersten Blick auch wirkt, so sehr kann hier der Teufel im Detail stecken. Beginnen wir bei der Zielgruppe.
Natürlich dürfen wir die Zielgruppe als zu 99% männlich ansehen. Andererseits muss man bedenken, dass der Kunde im Erotik-Friseur-Salon sein Interesse recht öffentlich bekundet. Hier tritt der der gleiche Effekt ein, wie bei einem Laufhaus – ohne dass wir beide auch nur im Geringsten gleichsetzen möchten. Dennoch: nicht jeder Mann möchte, dass sein Umfeld davon weiß, dass er den Erotik-Friseur konsultiert. Am Stammtisch mag es ja noch ganz cool klingen, wenn man davon berichtet, dass man sich beim Erotik-Friseur „die Locke zwirbeln“ lässt. Doch schon im nahen Umfeld im heimischen Wohngebiet ist das allgemeine Wissen um den Besuch beim Erotik-Friseur eher unerwünscht und vorzugsweise peinlich.
Liegt der Standort des Erotik-Friseur-Salons in einem Wohngebiet, kann es also durchaus sein, dass die Klientel aus dem Umkreis von einem Besuch bewusst absieht. Soll der Betreiber den Standort etwa in den Rotlichtbezirk verlegen? Das wäre fatal, denn so würde er sich freiwillig in die bewusste Ecke begeben.
Beim Personal beginnen wieder einige Aufgaben. Wo rekrutiert der Erotik-Friseur sein Personal? Den USP bewirkt der Erotik-Friseur durch die nackte Haut. Dennoch sollte man nicht ausschließen, dass mancher Kunde sich tatsächlich die Haare schneiden lassen möchte. Insofern wird der Unternehmer für sein Personal doch unter im Friseurhandwerk tätigen Personen rekrutieren müssen. Werden die Friseurinnen bereit sein, sich teilweise oder ganz auszuziehen, um ihrer Tätigkeit nachzugehen? Spätestens an dieser Stelle wird bewusst, dass das Personalthema ein besonders heikles werden könnte. Entweder sind adäquate Mitarbeiterinnen knapp – oder teuer. Wer könnte es den Damen verdenken, wenn sie sich das Tragen der besonderen Arbeitskleidung angemessen vergüten lassen möchten?
Die Lohnkosten nimmt man gleich mal mit in die Überlegungen zum Pricing. Die höheren Lohnkosten schlagen sich natürlich auch in der Preiskalkulation nieder. In einem der nachfolgenden YouTube-Clips wird ein Preis von 60 US-Dollars für einen Schnitt genannt. Wie hoch ist der Anteil der Personen in der Zielgruppe, die einen Betrag in dieser Größenordnung zum Erotik-Friseur tragen möchten? Oder anders herum: wer bereit ist, für einen verführerischen Haarschnitt beim Erotik-Friseur 60 Dollar auszugeben, der möchte dann vielleicht doch von vorneherein „mehr“ und gibt dann sein Geld an den üblichen Orten aus. Auch wenn man nicht mit Erotik-Etablissements verglichen werden möchte, kann man sich durch das Pricing eben dort direkte Konkurrenz schaffen.
Die Besetzung der Stellen mit Angehörigen des Gewerbes würde eine Argumentation des Geschäfts-Schwerpunkts „Friseur-Salon“ ein wenig erschweren. Allerdings dürfte dort die Akzeptanz des Arbeitsplatzes höher sein als im Friseurhandwerk. Die Ausstattunf des Arbeitsplatzes mit einem angemessenen Gehalt taucht dann auch wieder als spannende Frage auf.
Spannend dürfte auch der nicht unwahrscheinliche Fall sein, wenn der Kunde nach vollendetem Haarschnitt und mit bereits etwas reduzierter Zurechnungsfähigkeit erkennt, dass er sich vom Personal noch ganz andere Dienste wünscht. Hier findet sich für alle Beteiligten reichlich Konfliktpotential.
Erotik-Friseur „Aktschnitt“: Abgang nach dem ersten Akt
Im Jahr 2009 eröffnete in Berlin der Erotik-Friseur „Aktschnitt“ seine Pforten. Die Eröffnung erzeugte in Deutschland durchaus ein gewisses Medienecho. Klar, dass auch die Bildzeitung darüber berichtete.
Mittlerweile ist der Salon wieder geschlossen. Bei einem so simplen Geschäftsmodell hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass der „Aktschnitt“ sieben Jahre leicht überstehen wird. Einen kleinen Einblick in das regionale Setting in Berlin gibt der nachfolgende YouTube-Clip. Auch in den Salon des Erotik-Friseur erhält man Einblick.
Der Erotik-Friseur „Le521“ in Frankreich
Frankreich als Standort für einen Erotik-Friseur-Salon klingt auf den ersten Blick plausibel, zumindest wenn man das eine oder andere Vorurteil in den Köpfen von uns Deutschen bemüht. Wo würde man den Salon für den erotik-Friseur eröffnen? Natürlich in Paris – wo sonst! Weltoffen, Charme, Inbegriff für alles Erotische in Frankreich, Anonymität der Großstadt, … einfach alles spricht dafür.
Im Jahr 2011 wählte der französische Gründer – wir nennen ihn mal Monsieur Jacques – als Unternehmensstandort einen kleinen Ort in der Provinz. Für die 25.636 Einwohner des kleinen Örtchens Cavaillon hatte das Projekt „Le521“ von M. Jacques den Charakter eines mittleren Erdbebens. Das Moralverständnis in Cavaillon – man findet den Ort im Departement Vaucluse in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur – ist nun eben doch vergleichbar mit jenem einer deutschen Kleinstadt. Wer den Film „Chocolat“ gesehen hat – und wer hat ihn nicht gesehen? – bekommt eine Ahnung davon, auf wieviel Sympathie und Unterstützung M. Jacques bei seiner Unternehmensgründung gestoßen ist. Und die liebe Vianne hat im Film stets züchtig ausschließlich Schokolade verkauft!
Der Erotik-Friseur „Le521“ aus Cavaillon hat mittlerweise nicht mehr geöffnet. Noch zugänglich ist allerdings der YouTube-Clip, welchen er damals zur Gründung publizierte. Auch hier ist im Nachgang noch ein kleiner Blick in intime Details des Geschäftsmodells möglich.
Im Französischen klingt alles wesentlich verführerischer als im Deutschen. Der Erotik-Friseur empfängt den Kunden in einer „ambiance intimiste et chaleureuse“. Wer könnte dazu schon „Nein“ sagen? Der Haarschnitt wird im Salon „par une professionnelle“ ausgeführt. Da kündigt sich zumindest ein zweideutiges Wortspiel an, denn der Begriff der „Professionellen“ ist im Französischen (insbesondere im Argot, dem Jargon) eindeutig besetzt. Ob dieser verbale Kunstgriff gut war – möglicherweise nicht. Honi soit qui mal y pense!
Interessant auch: das „Le521“ empfahl sich auch für Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern, Junggesellenabschiede und zum Abschied aus dem aktiven Arbeitsleben.
Erotik-Friseur „Bikini-Cuts“ in Provo
Der Amerikaner Mike Fuller verwirklichte bereits vor vielen Jahren seinen Traum und eröffnete mehrere Erotik-Friseur-Salons. Offenbar war er zu Beginn seiner Unternehmensgründung sehr erfolgreich und beschloss in amerikanischer Tradition den Geschäftsman zu geben und das Geschäftsmodell zu replizieren.
Die beiden ersten Filialen eröffnete der Erotik-Friseur „Bikini Cuts“ Sandy und West Jordan, beide im US-Bundesstaat Utah gelegen. Im Jahr 2005 beschloss Mike Fuller die Expansion innerhalb des Bundesstaats Utah und nahm sich als nächste Standorte Provo bzw. Orem und Salt Lake City vor.
Offenbar verlief die Gründung der beiden ersten Filialen wesentlich problemloser. In Provo sorgte sein Ansinnen für allerlei Aufsehen. Die 116.288 Bewohner der amerikanischen Kleinstadt 80 km südlich von Salt Lake City fühlten sich berufen, auf die Barrikaden zu gehen. Wer die prüden Amerikaner kennt, muss sich da nicht wundern.
Als Sprachrohr der Gegenbewegung verstand sich damals der Anwalt und Nachbarschaftsaktivist Jacki DeGaston. Der Protest erregte soviel Aufsehen, dass sogar das Blatt „Deseret News“ darüber berichtete. Lauscht man den Worten von Jacki DeGaston, fühlt man sich spontan ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. „Provo ist ein Ort, an den Leute ziehen, die eine gute Umgebung für ihre Kinder suchen. Es ist ein Ort mit religiösen Standards. Wir brauchen Gesetze, welche eine Erosion dieses Image verhindern.“
Allerdings erwies sich Mike Fuller als mehr geschickt im Umgang mit den Medien. In Provo sehen die Gesetze vor, dass Geschäfte mit sexuellen Bezügen in bestimmten Stadtvierteln angesiedelt werden, so zum Beispiel in der East Bay. Allerdings wollte sich Mike Fuller von den prüden Einwohnern nicht in diese Ecke stellen lassen. Neben aufmerksamkeitsstarken und rhetorisch geschickten Auftritten in der Öffentlichkeit wusste er sich recht gut zu erwehren. „Unsere Friseurinnen schneiden Haare im gleichen Outfit, in welchem man Frauen im Swimming Pool oder im Fitness-Center sieht.“.
Die Standortsuche kostete Mike Fuller schon etwas Nerven. Bevor es ihn nach Provo zog, versuchte er sein Glück in Murray, einer Kleinstadt mit nur 48.612 Einwohnern. Geringer an der Zahl waren sie doch findiger als ihre Gesinnungsgenossen in Provo. Die Einwohner von Murray wirkten solange auf den den Vermieter der Räumlichkeiten ein, bis dieser nicht mehr an Mike Fuller vermieteten wollte. Zudem gab es zahlreiche Drohanrufe aus der Kategorie „Nur über meine Leiche!“.
Wir haben recherchiert und einen YouTube-Clip des Bikini-Cuts Salon in West Jordan entdeckt.Auch hier erhölt man interessante Einblicke in den Erotik-Friseur-Salon.
Der Bikini Barbershop aus Jersey
Offenbar ist die Doppelmoral der Amerikaner recht ausgeprägt. Während man sich gegen einen Erotik-Friseur in der realen Welt ausspricht – laut Jacki DeGaston sollte Provo anders als der Rest der Welt „sauber“ bleiben – konsumiert man das gleiche Thema nur zu gerne über TV.
Der Bikini Barbershop in Jersey“ ist eine amerikanische Reality-Show auf AXS TV. Jeff Wulkan betreibt einen Friseursalon („Friseurshop“) in Long Branch in New Jersey. Unter dem Titel „Bikini Barbers“ wurden insgesamt zwölf Folgen einer Staffel produziert.
Das Team des Friseurshops besteht vorwiegend aus weiblichen Haar-Stylisten mit sehr weiblichem Äußeren. Bei der täglichen Arbeit tragen die Damen nur Bikinis. Die Story beinhaltet auch, dass Jeff Wulkan nach dem Hurrikan Sandy durch das rückläufige Geschäft zur Schließung des Geschäftes gezwungen wurde.
Die YouTube-Clips der Serie finden sich sämtlich auf YouTube wieder. Wir haben eine Folge herausgegriiffen und hier als Clip weiter unten eingebunden. Die Serie bedient nun wirklich alle Klischees und hat wenn überhaupt nur Unterhaltungswert.
Die Hauptcharaktere im Bikini Barbershop in Jersey sind:
Jeff – Eigentümer und Geschäftsführer von Bikini Barbers. Er gibt den typischen Chef – unfair, sexistisch, ein gefundenes Fressen für jede Frauenrechtlerin. In geschäftlichen Dingen ist er allerdings sehr zielstrebig. Zielstrebig ist er auch, was das andere Geschlecht angeht.
Ariana – die Managerin und Hair-Stylistin konzentriert sich vor allem auf ihren Konflikt mit Jeff Wulkan. Ariana besitzt eine starke Persönlichkeit und verbeisst sich mit Jeff oft in Hakeleien. Jeff Wulkan ist hier mit seiner teils herabwürdigenden Umgangsweise nicht unschuldig. Die ständigen unanständigen Wortgefechte bilden das Herzstück der Show.
Natalie – sympatische, attraktive Friseurin. Jeffs schätzt die Mitarbeiterin für ihre angenehme Art und ihre „ästhetischen“ Qualitäten.
Alissa – alberne, hübsche Friseurin. In einer der Shows lässt sie sich die Brust vergrößern.
Lauren – Friseurin. Auch sie lässt sich die Brust vergrößern. Man erkennt hier schnell eins der Hauptthemen der Show.
Kim – Friseurin.
Folgende Sendungen wurden ausgestrahlt:
- „Open for Business“
- „Self Defense“
- „Bachelor Party“
- „Bikini Contest“
- „Ariana“
- „Date Breaker“
- „Atlantic City“
- „Sugar Daddy“
- „Boob Job“
- „Hostile Takeover“
- „Wax On Wax Off“
- „Investor Invasion“
- „Party Crasher“
- „Best of: Jeff“
Hier noch der Clip der Folge „Party Crasher“ in einem YouTube-Video-Clip.
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